Carol – die Oscarhoffnung 2016! Ein Grund zur Freude?

Hallo Ihr Lieben,

die Oscar-Verleihung 2016 steht kurz bevor und heuer sind gar die Lesben in einer Favoritinnenrolle. Es wäre somit keine große Überraschung, wenn Cate Blanchett für die Titelrolle des Films „Carol“ die begehrte Trophäe gewinnen sollte.Aus Gründen der Sichtbarkeit von Lesben im besonderen sowie Queers und Frauen im allgemeinen kann ich da nur die Daumen drücken. Auch wurde es wieder endlich an der Zeit, dass Lesben wieder nach langer Zeit im Mainstream-Kino erscheinen und im nicht-englischen Sprachraum synchronisiert anstatt lediglich untertitelt werden. So weit, so gut.

Aber ist der Durchbruch wirklich geschafft? Ist die Vorherrschaft von männlich-weißen Filmen nun gebrochen, in dem Menschen jenseits der alten Stereotypen eine nachhaltig gewichtige Rolle gemäß ihres Bevölkerungsanteils spielen? Die Antwort lautet: Leider nein! Bereits zum wiederholten Male sind keine Hispanics oder Afro-AmerikanerInnen nomiert. Ähnlich düster sieht es bei Frauen hinter der Kamera aus. Und bei Carol beschleicht mich das ungute Gefühl, dass nach dem Erfolg der schwulen Cowboys von „Brokeback Mountain“ jetzt mal die Lesben mit einer herzergreifenden Geschichte an der Reihe waren. („Monster“ zähle ich absichtlich nicht mit, da es da um eine Serienmörderin ging.)

Gewiss kann nun eingewendet werden, dass die Oscar-Verleihung nicht das Maß aller Dinge ist und wir sie daher nicht überbewerten sollten. Nur stellt sie ein besonders aussagefähiger Gradmesser dar, was in unser westlichen Welt in Sachen Film dominiert und wie es unsere Kultur prägt und deshalb ist es notwendig, einen tieferen Blick auf die ganze Chose zu werfen. Also halten wir fest, die weißen Männer halten Hollywood weiter fest im Griff, schleudern Testesteron-geschwängerte Schinken wie das Rache-Epos mit Leonardo di Caprio auf die Leinwände und von Zeit zu Zeit dürfen Lesben, Schwule, Schwarze etc. die Quoten-Außenseiter spielen. Es besteht kein Anlass zur Hoffnung, dass sich ab dieses Jahr da etwas tiefgreifend geändert hat.

Schauen wir uns die Patricia-Highsmith-Verfilmung „Carol“ näher an. Seit Jahrzehnten warteten wir Lesben auf die Verfilmung und nun ist sie endlich da. Ebenso hat Patricia Highsmith (zu recht meines Erachtens) allgemein ihre Fans. Regisseur Todd Haynes hat seine Fans gleichfalls, sowie auch jeweils Cate Blanchett und Rooney Mara, ein Erfolg war somit vorprogrammiert. Im alten Jahr habe ich mir selbst den Film angesehen. Ich könnte jetzt ein kleines Essay über meinen Eindruck schreiben, aber ganz im didaktischen Sinne möchte ich mich auf zwei Kritiken aus dem Netz und ein paar eigene Worte beschränken:

die Schlechte: http://www.literaturcafe.de/carol-lesbische-liebe-besser-auf-papier/

die Gute: http://www.spiegel.de/kultur/kino/carol-mit-cate-blanchett-und-rooney-mara-als-lesbisches-paar-ein-rausch-a-1067700.html

Bereits für Requisite, Kostüme, Make-up, Setting… hat „Carol“ unabhängig vom Thema einen Oscar verdient. Darüber hinaus versprüht er den Geist der 1950er Jahre (zumindest wie ich es mir vorstelle und ihn als 1975-Geborene aus Film und Literatur kenne. ;-)) Mensch merkt, hier wurde von den Verantwortlichen nicht gekleckert, sondern geklotzt, um den Oscar zu gewinnen. Doch entfaltet er nicht die Magie des Romans, auch wenn sich das Drehbuch relativ dicht am Original gehalten hat. Zu sehr haftet er an der Titelfigur, zu farblos bleibt Therese, die zweite Hauptfigur, und zu sehr wird versucht, eine große lesbische, Blockbuster-taugliche Geschichte zu erzählen. Letzteres schafft er auch tadellos, auch wenn ich mich persönlich nach dem Film gefragt habe, was Carol an die großäugig schauende Therese gefunden hat (beim Buch jedoch nicht). Nichtsdestotrotz prophezeie ich dem Streifen, dass er sich in die Reihe von lesbischen Kult-Klassikern à la „When night is falling“, „Desert Hearts“, „Loving Annabelle“ oder aus dem deutschen Sprachraum „Kommt Mausi raus?“ einreihen wird und das nicht zu unrecht. Erstens wegen des ihm zugrundeliegenden Romans, zweitens aufgrund der soliden Verfilmung und drittens weil er in der Mitte der 2010er Jahre die Fahne derjenigen hochgehalten, die etwas anderes zum Thema hatten als der heteronormativer, weiße, männliche Einheitsbrei.

Für die Zukunft bleibt die Hoffnung, dass wir uns zumindest in Europa von der Hollywood-Filmindustrie stärker freischwimmen und mehr Frauen, Queers, Schwarze, Hispanics… an Einfluss gewinnen. Und da nun „Carol“ verfilmt worden ist, warten wir gespannt, dass sich Film- und Fernsehschaffende z.B. endlich der genialen Krimireihe „Carol Ashton“ von Claire McNab oder dem „Leuchten des Almfeuers“ widmen werden. 🙂

Liebe Grüße

Conny

 

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